Jelzin

Jelzin
Jẹlzin,
 
Elzin ['je-], Boris Nikolajewitsch, russischer Politiker, * Butka (Gebiet Swerdlowsk) 1. 2. 1931; Bauingenieur; war 1961-90 Mitglied der KPdSU (Austritt), 1976-85 Erster Sekretär des Gebietsparteikomitees von Swerdlowsk (heute Jekaterinburg). Nach dem Amtsantritt M. S. Gorbatschows als Generalsekretär des ZK der KPdSU (1985) übertrug dieser Jelzin zunächst die ZK-Abteilung für Bauwesen; 1985 wurde er Sekretär des ZK der KPdSU, im selben Jahr Erster Sekretär der Moskauer Stadtparteiorganisation und 1986 Kandidat des Politbüros. Als vehementer Verfechter der Politik der Perestroika kritisierte er bald deren schleppende Realisierung, wandte sich offen gegen die orthodoxen Kreise der Partei und geriet als Radikalreformer auch zunehmend in Gegensatz zu Gorbatschow und dessen Politik, was 1987/88 zum Verlust seiner Ämter führte. 1989 wurde Jelzin Abgeordneter des Kongresses der Volksdeputierten und Mitglied des Obersten Sowjets der UdSSR. In seiner Amtszeit als Vorsitzender des russischen Obersten Sowjets (Staatsoberhaupt der RSFSR, 1990/91) erklärte Russland am 12. 6. 1990 seine Souveränität. Nach Einführung des Präsidialsystems (Mai 1991) wurde Jelzin am 12. 6. 1991 zum Präsidenten Russlands gewählt. Er brachte den Putsch orthodox-kommunistischer Kräfte im August 1991 zum Scheitern und entmachtete die KPdSU; im Dezember 1991 war er führend an der Gründung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) beteiligt. Im März 1992 setzte Jelzin für das Gebiet der Russischen Föderation den Abschluss eines Föderationsvertrages durch, den Tatarstan und Tschetschenien allerdings nicht unterzeichneten. Im Oktober 1993 ließ Jelzin durch die Armee einen Aufstand altkommunistischer und nationalistischer Kräfte niederschlagen und erreichte kurz darauf (per Referendum im Dezember 1993) die Annahme einer neuen, mit großen Rechten für den Staatspräsidenten ausgestatteten Verfassung. Im Dezember 1994 veranlasste er eine Militärintervention in dem nach Unabhängigkeit strebenden Tschetschenien; nach dem Scheitern der gewaltsamen Wiedereingliederung der Kaukasusrepublik in einem blutigen Krieg befahl er im November 1996 den Rückzug der russischen Truppen.
 
Das Verhältnis zu den anderen Mitgliedsstaaten der GUS wurde von Jelzins Politik der Durchsetzung einer dominierenden Rolle Russlands bei der (nur in Ansätzen gelungenen) Reintegration in gemeinsame politische, wirtschaftliche und militärische Strukturen bestimmt, was zeitweilig auch zu Spannungen mit einzelnen der inzwischen unabhängigen Republiken führte (u. a. mit der Ukraine wegen der Krim und der Schwarzmeerflotte). Die schon 1996 von ihm unterstützte Bildung einer aus Russland und Weißrussland bestehenden »Gemeinschaft Souveräner Republiken« bekräftigte er 1997 und 1999 (Unionsverträge).
 
Außenpolitisch nahm Jelzin mehrfach an Gipfeltreffen der führenden Industriestaaten sowie an Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU als Gast teil; 1996 erreichte er Russlands Aufnahme in den Europarat, wandte sich jedoch mehrfach gegen eine Osterweiterung der NATO. Er sicherte den vollständigen Abzug der russischen Truppen aus dem Osten Deutschlands ab (bis 1994), darüber hinaus auch aus den anderen ost- und mitteleuropäischen Staaten sowie (nach längeren Auseinandersetzungen wegen der Behandlung der dortigen russischen Bevölkerung) aus den baltischen Republiken. Darüber hinaus gelang ihm eine Verbesserung der Beziehungen zu China. Bei den Präsidentschaftswahlen 1996 konnte sich Jelzin erst in den Stichwahlen (Juli) gegen den Kommunisten Gennadij Sjuganow durch ein zeitweiliges Zweckbündnis mit dem populären A. I. Lebed durchsetzen. Durch schwere Krankheit zunehmend in der Ausübung seines Amtes beeinträchtigt, sah sich Jelzin aufgrund der inneren, v. a. wirtschaftlichen Krise Russlands mit einer starken Opposition konfrontiert (besonders repräsentiert in der Staatsduma, die wiederholt Amtsenthebungsverfahren gegen ihn einzuleiten versuchte, zuletzt im Mai 1999). Auch durch seine unstete Personalpolitik (u. a. Auswechseln von vier Ministerpräsidenten in 17 Monaten) und die Verstrickung seiner Familie in Korruptionsaffären geriet er innenpolitisch zunehmend unter Druck. Den von ihm im August 1999 als Ministerpräsident eingesetzten W. W. Putin unterstützte er in dessen harten Kurs in der neuerlichen Krise um Tschetschenien, gegen das Russland im Herbst 1999 eine weitere brutale Militäroffensive einleitete. Am 31. 12. 1999 trat Jelzin vorzeitig als Staatspräsident zurück und übergab die Amtsgeschäfte Putin, von dem er sich per Dekret u. a. Immunität vor eventueller Strafverfolgung und weitere Privilegien zusichern ließ. 2000 veröffentlichte er das »Mitternachtstagebuch. Meine Jahre im Kreml«.

Universal-Lexikon. 2012.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Jelzin — Boris Jelzin, offizielles Porträt Boris Nikolajewitsch Jelzin (russisch Борис Николаевич Ельцин  anhören?/i, wiss. Transliteration B …   Deutsch Wikipedia

  • Jelzin (Begriffsklärung) — Jelzin ist ein russischer Familienname. Bekannte Namensträger: Boris Nikolajewitsch Jelzin (1931–2007), erster Präsident Russlands Wiktor Borissowitsch Jelzin, sowjetischer Revolutionär Diese Seite ist eine Begriffsklärung zur Unterscheidung mehr …   Deutsch Wikipedia

  • Boris Jelzin — Boris Jelzin, offizielles Porträt Boris Nikolajewitsch Jelzin (russisch Борис Николаевич Ельцин  anhören?/i, wiss. Transliteration B …   Deutsch Wikipedia

  • Boris Nikolajewitsch Jelzin — Boris Jelzin, offizielles Porträt Boris Nikolajewitsch Jelzin (russisch Борис Николаевич Ельцин …   Deutsch Wikipedia

  • Boris Yeltsin — Boris Jelzin, offizielles Porträt Boris Nikolajewitsch Jelzin (russisch Борис Николаевич Ельцин  anhören?/i, wiss. Transliteration B …   Deutsch Wikipedia

  • Putin — Wladimir Putin Wladimir Wladimirowitsch Putin  anhören?/i (russisch Владимир Владимирович Путин, wiss. Transliteration Vladimir Vladimirovič Putin; * 7. Oktober 1952 …   Deutsch Wikipedia

  • Vladimir Putin — Wladimir Putin Wladimir Wladimirowitsch Putin  anhören?/i (russisch Владимир Владимирович Путин, wiss. Transliteration Vladimir Vladimirovič Putin; * 7. Oktober 1952 …   Deutsch Wikipedia

  • Vladimir Vladimirovich Putin — Wladimir Putin Wladimir Wladimirowitsch Putin  anhören?/i (russisch Владимир Владимирович Путин, wiss. Transliteration Vladimir Vladimirovič Putin; * 7. Oktober 1952 …   Deutsch Wikipedia

  • Vladimir Vladimirowitsch Putin — Wladimir Putin Wladimir Wladimirowitsch Putin  anhören?/i (russisch Владимир Владимирович Путин, wiss. Transliteration Vladimir Vladimirovič Putin; * 7. Oktober 1952 …   Deutsch Wikipedia

  • Wladimir Putin — Wladimir Wladimirowitsch Putin  anhören?/i (russisch Владимир Владимирович Путин, wiss. Transliteration Vladimir Vladimirovič Putin; * 7. Oktober 1952 …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”